Wissenschaftliche Artikel bergen wertvolle Management-Implikationen, sind jedoch in der Regel anspruchsvoll. Unsere Zusammenfassungen ermöglichen es Ihnen, aktuelle Forschungsergebnisse leicht in Ihrem Unternehmen anzuwenden.

Worum geht es in dem Artikel?

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen ihre Bestandskunden langfristig zu binden und gleichzeitig neue Kunden akquirieren. Traditionell wurden diese Tätigkeiten im Sales strikt getrennt und durch spezialisierte Profile abgedeckt. Heute stehen Sales-Mitarbeitende jedoch zunehmend vor der Herausforderung, beide Disziplinen zu beherrschen. Diese duale Strategie nennt man Ambidextrie (bzw. «Beidhändigkeit») – ein Ansatz, bei dem Sales-Mitarbeitende sowohl in der Neukundenakquise (Hunting) als auch in der Kundenbindung (Farming) tätig sind. Auf den ersten Blick erscheint diese Strategie sinnvoll, doch sie kann eine erhebliche Zusatzbelastung für Mitarbeitende darstellen.

Welche Faktoren sind relevant?

In der vorliegenden Studie werden 217 Sales-Mitarbeitende aus US-amerikanischen B2B-Unternehmen untersucht. Die Autoren analysieren, wie der gleichzeitige Fokus auf Neukundenakquise und Bestandskundenpflege das Stressniveau und Wohlbefinden von Verkäufern beeinflusst. Dabei erachten sie zwei Faktoren als zentral: 

  • Serviceaufgaben: Dies beschreibt den Anteil der nicht-verkaufsorientierten Aufgaben eines Verkäufers (z.B. Bestellungen nachverfolgen, Reklamationen bearbeiten). Je grösser der Anteil der Service-Aufgaben, desto weniger Zeit bleibt für effektive Verkaufstätigkeiten.
  • Ergebnisorientierung: Beschreibt, wie stark das Management Sales-Mitarbeitende auf Basis von messbaren Zielen (z.B. Verkaufsvolumen, Umsatz) bewertet und belohnt. Dieser Ansatz kann Mitarbeitende unter Druck setzen, da sie primär am Erfolg gemessen werden.

Was sind die Erkenntnisse?

Die Studie zeigt, dass Sales-Mitarbeitende ein erhöhtes Mass an Stress empfinden, wenn sie gleichzeitig Kundenakquise und -pflege betreiben. Dieses Stresslevel steigt, wenn sie zusätzlich zeitintensive Serviceaufgaben übernehmen müssen. Der Stress wird weiter verstärkt, wenn das Management strikt ergebnisorientiert führt. Diese Kombination aus umfangreichen Serviceanforderungen und einem ergebnisorientierten Kontrollsystem kann das Wohlbefinden von Sales-Mitarbeitenden erheblich beeinträchtigen und damit auch ihre Arbeitszufriedenheit und langfristige Leistungsfähigkeit negativ beeinflussen.

Was bedeutet das für Unternehmen? 

Setzen Sie an folgenden Stellhebel an, um für Ihre Sales-Mitarbeitenden ein leistungsförderndes Umfeld zu schaffen, in dem sie ihre Potenziale voll ausschöpfen können:

  • Aufgaben klar zuweisen: Definieren sie klare Verantwortlichkeiten entlang der End-to-End-Kundenbearbeitung. Eine gezielte Trennung der Aufgaben und Tätigkeiten für Akquise und Pflege von Kunden schafft zusätzliche Klarheit und Effizienz.
  • Spezialisierung fördern: Nutzen Sie die individuellen Stärken Ihrer Mitarbeitenden und ermöglichen Sie Spezialisierungen, anstatt ein einheitliches Anforderungsprofil für alle vorzuschreiben. So profitieren Sie von einer gezielten Kompetenzentfaltung und vermeiden Überlastungen.
  • Anreizsysteme ausrichten: Gestalten Sie ein Anreizsystem mit klaren, rollenbasierten Kennzahlen, die den tatsächlichen Einflussbereich der Mitarbeitenden abbilden. Prüfen Sie, ob spezifische Ziele für Hunting und Farming sinnvoll sind, um realistische und motivierende Vorgaben zu schaffen.

Ursprungstext:
Colleen E. McClure, Thomas E. DeCarlo, John D. Hansen. (2024). The dark side of salesperson ambidexterity: How salesperson ambidexterity increases felt stress. Industrial Marketing Management. 122, 78-88.