Wissenschaftliche Artikel bergen wertvolle Management-Implikationen, sind jedoch in der Regel anspruchsvoll. Unsere Zusammenfassungen ermöglichen es Ihnen, aktuelle Forschungsergebnisse leicht in Ihrem Unternehmen anzuwenden.

Worum geht es in dem Artikel?

Viele Industrieunternehmen stehen vor der Herausforderung einer stetig wachsenden Komplexität – ausgelöst durch individuelle Kundenwünsche, technologischen Wandel und volatile Märkte. Besonders prägend sind dabei zwei Dimensionen: die Produkt- und die Prozesskomplexität. Erstere umfasst Aspekte wie Variantenvielfalt, kundenspezifische Anpassungen oder komplexe Stücklisten. Letztere beschreibt den Automatisierungsgrad, den Einsatz moderner Technologie und die Anzahl sowie Verknüpfung der Prozessschritte. 

Werden diese beiden Komplexitätsformen nicht aufeinander abgestimmt, steigt das Risiko interner Störungen deutlich. Der vorliegende Artikel analysiert auf Basis einer Befragung von 291 Produktionsunternehmen in den USA und Grossbritannien, wie verschiedene Kombinationen von Produkt- und Prozesskomplexität die betriebliche Stabilität beeinflussen und welche Rolle dabei Koordination und Transparenz innerhalb des Unternehmens spielen.

Was sind die Erkenntnisse?

Wenn Produkt- und Prozesskomplexität nicht zusammenpassen, steigt das Risiko für interne Störungen – besonders dann, wenn ein Bereich deutlich komplexer ist als der andere. Unternehmen mit hoher Komplexität auf beiden Seiten sind dagegen oft stabiler, vorausgesetzt, sie steuern diese gezielt. Entscheidend ist, dass verschiedene Abteilungen gut zusammenarbeiten und alle Beteiligten über die nötigen Informationen verfügen. Besonders wirkungsvoll ist das Zusammenspiel, wenn Zuständigkeiten klar geregelt sind und die Kommunikation reibungslos funktioniert. So bleibt das Unternehmen auch bei hoher Komplexität handlungsfähig und belastbar.

Was bedeutet das für Unternehmen? 

Die Studie liefert damit konkrete Anknüpfungspunkte für den Aufbau robuster und resilienter Produktionsstrukturen: 

  1. Komplexität als strategischen Vorteil verstehen: Hohe Komplexität ist kein Nachteil, sie kann Differenzierung schaffen, wenn sie gezielt mit passenden Kompetenzen, Technologien und Prozessen unterlegt wird. Unterscheiden Sie zwischen wertschöpfender und vermeidbarer Komplexität, indem Sie Portfolio-Bereinigungen oder Komplexitätskostenanalysen durchführen.

  2. Frühzeitig Risiken erkennen: Interne Störungen entstehen oft schleichend, durch nicht synchronisierte Prozesse, überlastete Teams oder schlecht integrierte Technologien. Nutzen Sie Kennzahlen, Dashboards oder Prozessindikatoren, um interne Risiken frühzeitig sichtbar zu machen und rechtzeitig gegenzusteuern.

  3. Schnittstellen klar definieren: Komplexität wird gefährlich, wenn Zuständigkeiten und Informationsflüsse unklar sind. Prüfen Sie regelmässig, wo Prozesse ins Stocken geraten und schaffen Sie klare Verantwortlichkeiten. 

  4. Robuste Puffer statt reiner Effizienz: Gezielte Redundanzen an kritischen Stellen (z.B. bei Personal, Maschinen oder im Know-how) erhöhen die operative Resilienz. Investieren Sie bewusst in zusätzliche Ressourcen, um Flexibilität und Stabilität zu sichern.

  5. Digitale Werkzeuge gezielt einsetzen: Digitalisierung kann helfen, Komplexität zu bewältigen – solange sie nicht selbst zur Quelle neuer Intransparenz wird. Nutzen Sie Technologien wie digitale Zwillinge oder KI nur dort, wo sie Komplexität wirklich beherrschbar machen. 

Ursprungstext:
Paulraj, A., Zhang, L., Faruquee, M. & Irawan, C.A. (2025). Effect of product and process complexities on disruptions: Can coordination and transparency negate this effect? Industrial Marketing Management, 126, 146–158.